Es war einmal: Warum Brand-Storytelling immer wichtiger wird
Das Erzählen von Geschichten liegt in der menschlichen Natur und hat sicherlich maßgeblich zur Entstehung unserer Kulturen beigetragen. Was einst am Lagerfeuer begann und nur mündlich weitergegeben wurde, endete irgendwann in Büchern, Filmen, Computerspielen und allen anderen Formen der Geschichtsschreibung. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, ob es sich um authentische Fakten, Mythologien oder Märchen handelt:
Wichtig ist, die Zuhörer mit einer spannenden Geschichte zu fesseln und für das Thema zu begeistern. Gutes Storytelling ist nicht einfach, aber im Marketing-Alltag immer wichtiger. Das Brand Storytelling, also das Erzählen einer Geschichte zu einer Marke, einem Produkt oder einem Unternehmen, gewinnt an Bedeutung, wenn es um die Erzeugung von Emotionen und die Gewinnung von Kunden geht. Wie vielseitig dieses oft vernachlässigte Feld ist, zeige ich Euch anhand einiger Beispiele.
Video: Storytelling Hacking: Wie Geschichten funktionieren
Welche Ziele sind realistisch?
Emotionen und Vertrauen sind vermutlich die wichtigsten Aspekte, wenn es um die Gewinnung von Neukunden und dem Behalten von Stammkunden geht. Egal, ob man im Einzelhandel tätig ist oder einen Großkonzern leitet: Der Kunde möchte irgendwie emotional angesprochen werden und sich gut dabei fühlen, hier einzukaufen. Sogar ansonsten eher gesichtslose Unternehmen erkennen die Zeichen der Zeit.
So versucht Amazon durch emotionales Storytelling in Form von singenden Paketen zur Weihnachtszeit, dem Kunden ein gutes Gefühl zu vermitteln, damit dieser nicht darüber nachdenkt, warum er beim Online-Riesen kauft und nicht beim Händler an der Ecke. Schließlich hat Herr Huber seinen Buchladen schon vor fünfzig Jahren eröffnet und damit den Kiosk seines Großvaters bedeutend erweitert. Auch, wenn Herr Huber sicher noch nie von Brand Storytelling gehört hat, sorgt die Bekanntheit dieser Story dafür, dass seine Kunden gerne bei ihm kaufen.
Beim Erzählen der Geschichte geht es also im Sinne einer Markenidentität entweder darum, eine Marke bzw. ein Produkt neu zu etablieren oder bestehende Aktivposten beim Kunden emotional zu verfestigen und eventuell neu entdecken zu lassen. Auf diese Weise lassen sich alte Marken neu beleben oder auch Vertrauen wiedergewinnen, das vielleicht aufgrund eines Skandals verloren ging. Ein gutes Brand Storytelling kann in all diesen Fällen wahre Wunder wirken. Man muss allerdings wissen, was man mit welchen Mitteln erreichen möchte – und kann.
Selbst hölzernes Storytelling kann funktionieren
Vor allem Unternehmen, die einem starken Konkurrenzkampf ausgesetzt sind, müssen sich behaupten und von den Mitbewerbern abheben. Geben wir dem Kunden einen Grund, bei uns zu kaufen, ist die einfache Zielsetzung. Brand Storytelling setzt genau hier an. Jeder kennt die (handwerklich eher fragwürdigen) Werbespots des Trigema-Gründers. Seine Markenbotschaft, nur Qualitätsware in Deutschland zu fabrizieren, soll alle anderen Mitbewerber beschämen, die in billigen Fernost-Fabriken ihre Trikots anfertigen lassen.
Sie funktionieren, weil der Firmeninhaber auf seine Weise authentisch ist und die Leute ihm die Botschaft abnehmen. Trigema ist bei den meisten Kunden daher nicht unbedingt wegen des Designs oder der Preise der Produkte bekannt, sondern dafür, Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern. Das kann der Kunde unterstützen und fühlt sich somit gut. Andere Unternehmer haben diese Art Brand Storytelling ebenfalls genutzt und sich als Gründer ins Bild gesetzt. Claus Hipp mit seinen Babygläschen, der für die Qualität „mit seinem Namen“ bürgte oder der Kaffee-König Darboven sind weitere Beispiele für dieses eher altbackene Storytelling, das jedoch häufig funktioniert.
Vom Tellerwäscher zum Millionär
Es funktioniert vor allem dann, wenn es unverwechselbar ist. Dann verzeihen Kunden auch die hölzernen Auftritte von Firmenchefs, die sich eigentlich nicht vor der Kamera zeigen sollten. Doch auch neue Unternehmen profitieren vom Brand Storytelling. Speziell Startup-Firmen leben davon, eine innovative und oft anrührende Story der Firmengründung zu verbreiten. Steve Jobs und Bill Gates waren schließlich auch nicht immer die großen Milliardäre, sondern fingen an, in Garagen ihre Computer und Softwareprodukte zusammenzubauen.
Diese „vom Tellerwäscher zum Millionär“-Storyline funktioniert immer bestens und macht aus den großen, gesichtslosen Unternehmen wie Apple oder Microsoft eigentlich ganz sympathische Firmen. Ja, sie vermeiden Steuern und beuten Arbeiter in China aus. Aber hey, eigentlich kommen die von ganz unten und haben es geschafft. Erfolg dieser Art wird von den Kunden fast immer respektiert – ob die Geschichte nun ganz der Wahrheit entspricht oder nicht.
Videos und Kurzfilme eignen sich in den modernen Medien besonders gut für emotionales Brand Storytelling, wenngleich ein knackiger Slogan (z.B. „Vorsprung durch Technik“ bei Audi) ebenfalls schon viel über ein Unternehmen aussagt. Zu Jubiläen und anderen Anlässen lassen sich die Firmengründer-Mythen besonders gut herausstellen. Wer kennt nicht die Geschichte von Carl Benz und seiner Frau, die mit der Erfindung ihres Mannes auf die erste Autofahrt der Welt ging? Dass jedes Kind weiß, dass Mercedes Benz das Auto erfunden hat, ist ein unbezahlbarer Erfolg guten Brand Storytellings. Und dass Coca-Cola für unser Bild des Weihnachtsmanns verantwortlich ist, kann man ebenfalls auf gekonntes Story-Marketing zurückführen.
Video: Storytelling Marketing Erfolgsfaktoren (German/deutsch)
Und was bringt uns das?
Ist ja schön, dass große Firmen ihr Brand Storytelling so erfolgreich umsetzen. Doch was nützt das mir? Die Frage ist berechtigt. Es sind Beispiele, die zeigen sollen, dass ein erfolgreiches Storytelling nicht auf einen Themenbereich festgenagelt sein muss. Es liegt in vielen Fällen nahe, die Gründungsgeschichte zu erzählen, aber man kann es auch etwas konkreter auf Produkte oder Menschen beziehen, indem man ein ausführliches Porträt von Firma, Wirkungsstätten und Personal produziert.
Zufriedene Kunden (am besten solche, die einen bleibenden Eindruck hinterlassen, weil sie selbst bekannt und erfolgreich sind) können das Image einer Marke oder eines Produktes ebenfalls heben. Erinnert sich noch jemand an Boris Becker und sein „Bin ich schon drin?“ für den Internetanbieter AOL? Das Storytelling war genial. Zur damaligen Zeit war es oft sehr kompliziert und frustrierend, einen funktionierenden Internetzugang einzurichten. AOL warb damit, besonders einfach den Zugang zum WWW zu ermöglichen – und traf mit Boris Becker die perfekte Wahl für das Brand Storytelling.
Die unterschwellige Botschaft: Wenn der das kann, kann das jeder. Und es hat funktioniert. Damals wurde AOL zum größten Internetprovider Deutschlands.
Baue Vertrauen auf
Beim Brand Storytelling geht es aber nicht immer ums Verkaufen oder das Erzielen direkter Conversions. Die Kundenbindung definiert sich schließlich ebenso wirksam über Vertrauen und Markentreue. Eine konkrete Werbebotschaft muss damit nicht immer verbunden sein. Aktuell sieht man beispielsweise Werbespots eines Waschmittelherstellers, die sich ausschließlich auf die Produktsicherheit beziehen und den Kunden nahelegen, die wie Spielzeug oder Süßigkeiten aussehenden Caps für die Waschmaschine oder Spülmaschine von Kindern fernzuhalten.
Eine sehr sympathische Botschaft, gegen die keiner etwas haben kann – und ganz ohne konkrete Kaufempfehlung oder andere Call-to-actions, abgesehen von: „Passen Sie auf Ihre Kinder auf!“. Um Vertrauen zu gewinnen, setzen Politiker, Parteien, Fernsehsender und kommerzielle Unternehmen gerne auf Insight Stories, die einen Backstage-Einblick geben. Wie präzise oder authentisch dieser ist, bleibt dahingestellt. Wichtig ist, dass die Zuschauer den Eindruck haben, dass sie ernst genommen werden. Gerne kombinieren die Strategen so etwas auch mit Interaktivität und Feedback. Nicht nur, um die Denkweise des Kunden zu erfassen, sondern auch um seine Vorschläge und Anregungen konstruktiv umzusetzen.
The right stuff: Finde den richtigen Aufhänger
Die richtige Geschichte für Dein Storytelling zu finden, ist also nicht ganz einfach. Abhängig von Branche, Produkt, Ausrichtung und Zielsetzung des Unternehmens variieren die Möglichkeiten, wie ich bereits aufgezeigt habe. Willst Du dem Kunden deine Firma vorstellen, erzähle ihm eine spannende Gründungsgeschichte. Vermittele dem Zuschauer deine Motivation.
Warum hast Du die Firma überhaupt eröffnet und was ist dein Anliegen? Gerade Produkte und Dienstleistungen, die innovativ als Gamechanger funktionieren (zum Beispiel umweltfreundliche Mülltrennung), können gut mit einer regelrechten Mission verbunden werden, für die man Fans gewinnen kann. Denn Fans sind die treuesten und besten Kunden – sie muss man nicht mehr überzeugen. Sich selbst zu hinterfragen und stets zu verbessern, kommt dabei besonders gut an. Aber: Nicht jeder ist ein guter Geschichtenerzähler.
Auf gar keinen Fall darf man das Publikum langweilen. Begeistere also das Publikum für Deine Idee und zeige ihnen, warum es notwendig ist, sich diesem Problem zu widmen und weshalb Dein Unternehmen und kein anderes dafür der geeignete Partner ist. Die Arten des Storytelling sind so vielseitig, dass man sich fast jeder beliebigen Erzählstruktur bedienen kann, die in anderen Geschichten auch funktioniert. Eine Heldenreise auf der Suche nach der Lösung für ein bestimmtes Problem funktioniert ebenso wie eine Wiederauferstehung eines Produkts oder einer Marke (wie etwa bei Opel in der Krisenzeit: „Wir leben Autos“). Immer gut: Beziehe die Kunden als potenzielle Mitstreiter ein. Mache sie zu den zentralen Figuren deiner Heldengeschichte. Denn wer etwas für die Umwelt tun will, muss natürlich als Kunde den Mut haben, ein umweltfreundliches Auto dieses bestimmten Herstellers zu kaufen, oder?
Verbessere die Welt – und spiele im Hintergrund Louis Armstrong mit „What a Wonderful World“. Genau das bescherte Opel Ende der 80er eine ungeheure Popularität und führte dazu, dass die Opel-Werbespots dieser Zeit zu den besten überhaupt zählten. Es zeigt aber auch eine Gefahr des Brand Storytelling: Wer sich nur und ausschließlich auf nette Geschichten und eine Wohlfühl-Atmosphäre verlässt, vernachlässigt schnell das Geschäftliche. Bei Opel halfen alle Auszeichnungen für die tollen Werbespots nichts gegen die besseren Absatzzahlen der Konkurrenz. Verantwortlich dafür waren unter anderem Qualitätsprobleme – und da liegt der Hase im Pfeffer begraben: Man kann die Kunden für eine Sache begeistern, doch wenn die Produkte die Versprechungen nicht halten können oder sogar den Kunden komplett enttäuschen, hat man ein Problem.
Fazit: Das Brand Storytelling muss passen und authentisch sein
Für die meisten Unternehmen ist ein gutes Brand Storytelling unverzichtbar. Ob durch einen Slogan, ein Video oder auch nur eine gelungene, typische Verpackungsstrategie: Lass die Kunden wissen, wofür Du stehst. Identifizieren sich Kunden mit einer Story, identifizieren sie sich bald auch mit dem Produkt oder der Dienstleistung. Dabei darf die Geschichte durchaus originell konzipiert sein – solange sie nicht langweilt, ist beinahe alles erlaubt.
Problematisch wird es nur, wenn Anspruch und Wirklichkeit zu weit auseinanderklaffen. Keiner erwartet, dass der durch den Konsum einer Dose Red Bull wirklich Flügel bekommt. Aber würde das Getränk keinen Energieschub bringen und die Kunden enttäuschen, brächte auch das beste Storytelling keine Rettung. Mein Tipp: Wenn Du ein echtes Brand Storytelling planst, hole einen Experten ins Boot, der genau weiß, worauf es ankommt. Denn was für das eine Unternehmen bestens funktioniert, kann für ein anderes einem marketingtechnischen Selbstmord gleichkommen. Eine pauschale Empfehlung gilt aber eigentlich immer: Nimm die Kunden und das Publikum ernst, denn nur dann werden sie auch dein Brand Storytelling ernst nehmen.
Bildnachweis:©Shutterstock-Titelbild: Georgejmclittle- #01: fatir29
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